Kurz bevor der Dokumentarfilm DER ZWEITE ANSCHLAG bei uns im kino3 ausläuft, freuen wir uns, dass wir am Di., 23.3. um 19 Uhr zu einem Live-Gespräch mit Regisseurin Mala Reinhardt und Andrea Kuhn, Leiterin des Internationalen Nürnberger Filmfestivals der Menschenrechte, einladen können. Die Veranstaltung beginnt mit einer Begrüßung in einer Zoom-Videokonferenz. Ab ca. 19.15 Uhr schaut dann jede*r für sich den Film im Stream hier im kino3 und um ca. 20.15 Uhr findet das Gespräch abermals bei Zoom statt. Bitte nutzt Ihr, nutzen Sie folgenden Link zur kostenlose Teilnahme am Gespräch:
https://us02web.zoom.us/j/86129417803?pwd=SVRvZ0Rvd094UHROazM5VTBKcHVTQT09
ZUM FILM:
„Das Boot ist voll!“, „Ausländer raus!“, „Deutschland den Deutschen“.
Die Parolen der Rechten sind mittlerweile unüberhörbar geworden. Genauso die Gewalt, die sich gegen jene Menschen richtet, die als „fremd“ wahrgenommen werden. Mit erschreckender Kontinuität wiederholen sich seit Jahrzehnten rassistisch motivierte Ausschreitungen, Angriffe und Morde in der Bundesrepublik Deutschland.
DER ZWEITE ANSCHLAG dokumentiert die bisher kaum beachtete Perspektive der Betroffenen dieser Gewalt und stellt sie in den Mittelpunkt. In tiefgehenden Interviews entwickelt der Film ein präzises Bild der teils traumatischen Erlebnisse, welche die Protagonist*innen des Films durchlebt haben. Osman Taşköprü erzählt von dem Mord an seinem Bruder Süleyman, den der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) 2001 in Hamburg beging. Ibrahim Arslan schildert seine Erinnerungen an den rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992, den er selbst nur knapp überlebte und Mai Phương Kollath wohnte selbst in Rostock-Lichtenhagen, als dort unter dem Beifall hunderter Schaulustiger das Sonnenblumenhaus von Neonazis in Brand gesteckt wurde.
Doch es bleibt nicht dabei. Angesichts von anhaltenden rassistischen Ausschreitungen, der unzureichenden Aufklärung des NSU-Komplexes und dem Einzug der AfD in die politische Landschaft der BRD haben Mai Phương, Ibrahim und Osman eine Entscheidung getroffen: Sie werden nicht länger schweigen. Dabei verweben sich ihre Geschichten. Und während sie für eine lückenlose Aufklärung und ein Ende der Gewalt eintreten, entsteht ein Netzwerk aus Menschen, die ähnliches erlebt haben. So erhebt auch Gülüstan Ayaz-Avcı, deren Partner Ramazan bereits in den 1980ern von Nazis ermordet wurde, ihre Stimme. Ihr Fall zeigt, dass rassistische motivierte Gewalt in Deutschland nicht erst mit der Wiedervereinigung beginnt. Auch Özge Pınar Sarp berichtet von aktuellen Entwicklungen und eröffnet im Film eine migrantische Perspektive auf antifaschistisches Engagement in Deutschland. Als sie vor wenigen Jahren nach Deutschland kam und selbst politisch aktiv wurde, bekam auch sie tief verankerten alltäglichen Rassismus zu spüren.
DER ZWEITE ANSCHLAG führt diese Geschichten in einer vielschichtigen Erzählweise zusammen und eröffnet einen detaillierten Einblick in den Kampf migrantischer Communities gegen Rassismus in Deutschland.
REGIEKOMMENTAR MALA REINHARDT:
Als Person of Color in Deutschland war ich von Kindheit an mit Fragen zu meiner eigenen gesellschaftlichen Zugehörigkeit konfrontiert. In Deutschland geboren und aufgewachsen zu sein, reichte meinem Umfeld oftmals nicht aus, um mich auch als zugehörig wahrzunehmen. Durch die Konfrontation mit ständigen Fragen nach meiner Herkunft oder verbalen Angriffen in der Öffentlichkeit teile ich Erfahrungen mit einem nicht unerheblichen Anteil der Deutschen mit sogenannten „Migrationshintergrund“. Dabei gehen die Definitionen und Wahrnehmungen von Betroffenheit stark auseinander. Sind Menschen wie ich, die einen deutschen Pass besitzen, fließend deutsch sprechen und mit den Eigenheiten dieses Landes vertraut sind und deren anerkannter Schulabschluss ihnen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt gewährt, genauso betroffen, wie Gastarbeiter*innen, die gezielt auf begrenzte Zeit und ohne Integrationsgedanken angeworben wurden? In welchem Verhältnis stehen meine Erfahrungen zu denen Geflüchteter, die vielmals traumatisierende Erlebnisse zu bewältigen haben und zum Teil jahrelange Auseinandersetzungen mit der deutschen Bürokratie führen? Ist die Betroffenheit von Opfern rassistischer Gewalt und deren Angehörigen überhaupt vergleichbar mit anderen Rassismuserfahrungen?
Im Vorfeld des NSU-Tribunals, welches im Mai 2017 stattfand, hatte ich zum ersten Mal Kontakt zu Angehörigen von Opfern fremdenfeindlicher Morde. Ibrahim, Osman und Gülustan verkörpern verschiedene Generationen, die in Deutschland angegriffen wurden. Ihre Erfahrungen von Betroffenheit basieren auf dem direkten Verlust engster Verwandte durch rechten Terror. Wie gehen sie mit ihrer Trauer um? Was sind ihre Forderungen und Zukunftsvisionen? Wofür und wie kämpfen sie? Wie bewerten sie das sich verändernde politische Klima in Deutschland? Wie erleben andere Menschen mit Migrationshintergrund die Angriffe auf ihre Communities? Mai Phươngs, Ayşes und Özges Erfahrungen machen deutlich, dass Betroffenheit nicht erst durch einen physischen Angriff entsteht.
Bei DER ZWEITE ANSCHLAG war es mir wichtig, den Protagonist*innen die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen Perspektiven darzustellen. Viel zu oft schon wurden die Geschichten von Betroffenen an die Peripherie gedrängt, es wurde über sie erzählt statt mit ihnen zu reden. Bei der Durchführung dieses Projekts habe ich daher eng mit Ibrahim, Mai Phương, Ayşe, Osman, Özge und Gülüstan zusammengearbeitet.
Kurz bevor der Dokumentarfilm DER ZWEITE ANSCHLAG bei uns im kino3 ausläuft, freuen wir uns, dass wir am Di., 23.3. um 19 Uhr zu einem Live-Gespräch mit Regisseurin Mala Reinhardt und Andrea Kuhn, Leiterin des Internationalen Nürnberger Filmfestivals der Menschenrechte, einladen können. Die Veranstaltung beginnt mit einer Begrüßung in einer Zoom-Videokonferenz. Ab ca. 19.15 Uhr schaut dann jede*r für sich den Film im Stream hier im kino3 und um ca. 20.15 Uhr findet das Gespräch abermals bei Zoom statt. Bitte nutzt Ihr, nutzen Sie folgenden Link zur kostenlose Teilnahme am Gespräch:
https://us02web.zoom.us/j/86129417803?pwd=SVRvZ0Rvd094UHROazM5VTBKcHVTQT09
ZUM FILM:
„Das Boot ist voll!“, „Ausländer raus!“, „Deutschland den Deutschen“.
Die Parolen der Rechten sind mittlerweile unüberhörbar geworden. Genauso die Gewalt, die sich gegen jene Menschen richtet, die als „fremd“ wahrgenommen werden. Mit erschreckender Kontinuität wiederholen sich seit Jahrzehnten rassistisch motivierte Ausschreitungen, Angriffe und Morde in der Bundesrepublik Deutschland.
DER ZWEITE ANSCHLAG dokumentiert die bisher kaum beachtete Perspektive der Betroffenen dieser Gewalt und stellt sie in den Mittelpunkt. In tiefgehenden Interviews entwickelt der Film ein präzises Bild der teils traumatischen Erlebnisse, welche die Protagonist*innen des Films durchlebt haben. Osman Taşköprü erzählt von dem Mord an seinem Bruder Süleyman, den der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) 2001 in Hamburg beging. Ibrahim Arslan schildert seine Erinnerungen an den rassistischen Brandanschlag von Mölln 1992, den er selbst nur knapp überlebte und Mai Phương Kollath wohnte selbst in Rostock-Lichtenhagen, als dort unter dem Beifall hunderter Schaulustiger das Sonnenblumenhaus von Neonazis in Brand gesteckt wurde.
Doch es bleibt nicht dabei. Angesichts von anhaltenden rassistischen Ausschreitungen, der unzureichenden Aufklärung des NSU-Komplexes und dem Einzug der AfD in die politische Landschaft der BRD haben Mai Phương, Ibrahim und Osman eine Entscheidung getroffen: Sie werden nicht länger schweigen. Dabei verweben sich ihre Geschichten. Und während sie für eine lückenlose Aufklärung und ein Ende der Gewalt eintreten, entsteht ein Netzwerk aus Menschen, die ähnliches erlebt haben. So erhebt auch Gülüstan Ayaz-Avcı, deren Partner Ramazan bereits in den 1980ern von Nazis ermordet wurde, ihre Stimme. Ihr Fall zeigt, dass rassistische motivierte Gewalt in Deutschland nicht erst mit der Wiedervereinigung beginnt. Auch Özge Pınar Sarp berichtet von aktuellen Entwicklungen und eröffnet im Film eine migrantische Perspektive auf antifaschistisches Engagement in Deutschland. Als sie vor wenigen Jahren nach Deutschland kam und selbst politisch aktiv wurde, bekam auch sie tief verankerten alltäglichen Rassismus zu spüren.
DER ZWEITE ANSCHLAG führt diese Geschichten in einer vielschichtigen Erzählweise zusammen und eröffnet einen detaillierten Einblick in den Kampf migrantischer Communities gegen Rassismus in Deutschland.
REGIEKOMMENTAR MALA REINHARDT:
Als Person of Color in Deutschland war ich von Kindheit an mit Fragen zu meiner eigenen gesellschaftlichen Zugehörigkeit konfrontiert. In Deutschland geboren und aufgewachsen zu sein, reichte meinem Umfeld oftmals nicht aus, um mich auch als zugehörig wahrzunehmen. Durch die Konfrontation mit ständigen Fragen nach meiner Herkunft oder verbalen Angriffen in der Öffentlichkeit teile ich Erfahrungen mit einem nicht unerheblichen Anteil der Deutschen mit sogenannten „Migrationshintergrund“. Dabei gehen die Definitionen und Wahrnehmungen von Betroffenheit stark auseinander. Sind Menschen wie ich, die einen deutschen Pass besitzen, fließend deutsch sprechen und mit den Eigenheiten dieses Landes vertraut sind und deren anerkannter Schulabschluss ihnen Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt gewährt, genauso betroffen, wie Gastarbeiter*innen, die gezielt auf begrenzte Zeit und ohne Integrationsgedanken angeworben wurden? In welchem Verhältnis stehen meine Erfahrungen zu denen Geflüchteter, die vielmals traumatisierende Erlebnisse zu bewältigen haben und zum Teil jahrelange Auseinandersetzungen mit der deutschen Bürokratie führen? Ist die Betroffenheit von Opfern rassistischer Gewalt und deren Angehörigen überhaupt vergleichbar mit anderen Rassismuserfahrungen?
Im Vorfeld des NSU-Tribunals, welches im Mai 2017 stattfand, hatte ich zum ersten Mal Kontakt zu Angehörigen von Opfern fremdenfeindlicher Morde. Ibrahim, Osman und Gülustan verkörpern verschiedene Generationen, die in Deutschland angegriffen wurden. Ihre Erfahrungen von Betroffenheit basieren auf dem direkten Verlust engster Verwandte durch rechten Terror. Wie gehen sie mit ihrer Trauer um? Was sind ihre Forderungen und Zukunftsvisionen? Wofür und wie kämpfen sie? Wie bewerten sie das sich verändernde politische Klima in Deutschland? Wie erleben andere Menschen mit Migrationshintergrund die Angriffe auf ihre Communities? Mai Phươngs, Ayşes und Özges Erfahrungen machen deutlich, dass Betroffenheit nicht erst durch einen physischen Angriff entsteht.
Bei DER ZWEITE ANSCHLAG war es mir wichtig, den Protagonist*innen die Möglichkeit zu geben, ihre eigenen Perspektiven darzustellen. Viel zu oft schon wurden die Geschichten von Betroffenen an die Peripherie gedrängt, es wurde über sie erzählt statt mit ihnen zu reden. Bei der Durchführung dieses Projekts habe ich daher eng mit Ibrahim, Mai Phương, Ayşe, Osman, Özge und Gülüstan zusammengearbeitet.