9 Leben

Dokumentarfilm, Deutschland 2010

Nicht verfügbar
VERFÜGBAR VON 10.6. bis 7.7. Mit 9 LEBEN führen wir unseren Berlinale-Schwerpunkt im kino3 weiter. Der neue Dokumentarfilm der Berliner Regisseurin Maria Speth, HERR BACHMANN UND SEINE KLASSE, feierte seine Weltpremiere im Internationalen Wettbewerb der diesjährigen Berlinale und wurde von der Jury mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet. Bevor ihr aktueller Film nun im Herbst dieses Jahr seinen Kinostart haben wird, möchten wir Euch und Ihnen ihren Dokumentarfilm 9 LEBEN aus dem Jahr 2010 präsentieren. In der Bundesrepublik leben mindestens 9.000 Jugendliche vorübergehend oder dauerhaft auf der Straße. Es gibt Schätzungen, die von einer deutlich höheren Anzahl ausgehen. Die Jugendlichen kommen aus allen sozialen Schichten. Die durchschnittliche Dauer des Straßenlebens beträgt fünf Jahre, erreicht aber auch fünfzehn Jahre und mehr. Fast 2.000 dieser „Straßenkinder“ halten sich in Berlin auf. Nur ein Drittel von ihnen ist auch hier geboren. Der Film porträtiert einige dieser Schicksale: das von Sunny, Toni, Krümel, JJ, Stöpsel, Soja und Za. Menschen, von denen jeder einzelne mittlerweile auch schon neun Leben gelebt haben könnte. Die schon sehr früh – oft schon im Alter von 11, 12 oder 13 Jahren – entschieden haben, von zu Hause wegzugehen und für eine bestimmte Zeit oder dauerhaft auf der Straße zu leben. Der Film zeigt die seelischen und körperlichen Beschädigungen, die diese Menschen erlitten haben. Aber trotz dieser Zerstörungen gibt es bei ihnen eine enorme Kraft sowie Talente und Fähigkeiten zu entdecken. Vor allem dieser Reichtum an persönlichen Möglichkeiten steht im Mittelpunkt des Films. Deshalb werden auch nicht die Lebensumstände der Jugendlichen auf der Straße dokumentiert, sondern sie werden von ihnen in freier Wahl erzählt oder auch nicht. So kommen sehr persönliche, mitreisende und berührende Zeugnisse zustande. Um den Fokus auf ihre Persönlichkeiten zu legen, erzählen sie vor neutralem Hintergrund im Studio von ihren Leben. Einige haben ihre Musikinstrumente mitgebracht und spielen spontan, andere zeigen Fotos oder andere künstlerische Arbeiten. So entstehen filmische Porträts wie in einer Ausstellung, einem Kunstraum. Die Vorurteile und Klischeevorstellungen über „Penner“ und „Punks“ lösen sich auf. Die Jugendlichen werden in ihrer bewundernswerten Einmaligkeit erkennbar. Und sie werden zu Stars – zu Recht. MARIA SPETH ÜBER IHREN FILM: Im Umfeld von Straßenkindern, wo ich zu meinem Spielfilmprojekt „Anonym (AT)“ recherchiert habe, traf ich Menschen, deren Biografien, Talente, Lebensphilosophien sowie deren Freude, Verzweiflung und Kraft mich sehr berührten. Ich war überrascht, wie viele von ihnen nicht den Klischeevorstellungen entsprachen, die man über Obdachlose leicht mit sich herumträgt. Und erstaunt, dass bei mir selbst viele solcher Vorurteile im Hinterkopf herumspukten. Obwohl die körperlichen und seelischen Schädigungen ihrer extremen Lebensumstände unübersehbar waren, begeisterten mich ihre Intelligenz und künstlerischen Fähigkeiten. Menschen wie „du und ich“, die unter anderen Umständen vielleicht ebenso andere Lebenswege eingeschlagen hätten. Unmittelbar entstand das Bedürfnis, ihnen eine Stimme zu geben. Und einen Raum, aber nicht einen privaten, sondern einen abstrakten, in dem alle Konzentration auf ihren Persönlichkeiten liegen sollte. Wie auf den Porträtfotos aus „The American West“ von Richard Avedon. Deshalb erzählen Sunny, Toni, Krümel, JJ, Stöpsel, Soja und Za im Studio vor neutralem Hintergrund erst einmal über sich selbst. Und so entstehen „lebende“ Porträtfotos. Oder Porträtfilme. Wie in einer Ausstellung. Die Auswahl der „Fälle“ aus diesem großen Spektrum von Lebensaltern und –formen war ganz subjektiv und erhebt keinen Anspruch auf statistische Repräsentanz. Zum Beispiel Za, die mit richtigem Namen Elisabetha heißt. Die mit dreizehn anfing, nach der Schule mit ihrer Freundin Assi auf den Alexanderplatz zu gehen, mit vierzehn das Musikgymnasium abbrach, von zu Hause auszog und bei ihren Kumpels auf dem Alex schlief. Oder Stöpsel, die jahrelang am Breitscheidplatz schnorrte, um Essen und Drogen zu kaufen. Heute lebt sie mit Mann und fünf Kindern im Wedding. Mit Meldeadresse. Oder der einunddreißigjährige Krümel, der nach zwanzig Jahren Obdachlosigkeit immer noch da übernachtet, wo es gerade möglich ist. Und sagt: „Ich fühle mich nirgendwo zu Hause.“ Aber unabhängig von allen Veränderungen ihrer Lebensumstände bleiben alle von der Erfahrung der Straße geprägt. Die Gespräche wurden mit zwei Kameras in verschiedenen Einstellungsgrößen gedreht. In High Definition, aus Respekt und mit dem Wunsch nach deutlicher Sichtbarkeit. Themen wie Familie, Straße, Drogen, Erfahrungen mit dem Sozialstaat, dem Jugendamt, der Polizei, Wohn- und Arbeitssituation usw. stehen im Mittelpunkt. Sie bilden die dramaturgische Struktur des Films. Durch die themenbezogene Montage entsteht dabei ein konfrontierendes und kontrastierendes, fiktives Gespräch zwischen allen Beteiligten. So verschwindet auch die Dokumentaristin – als Fragende – aus dem Film. Und gesellschaftliche Muster oder Gemeinsamkeiten werden sichtbar, sodass der Blick des Zuschauers sowohl auf das Allgemeine als auch Besondere und Einmalige dieser Menschen gelenkt wird.
Sprache:
Deutsch
Untertitel:
Englisch

Auszeichnungen

Internationales Human Rights Filmfestival Nürnberg 2011: Preis der Open-Eyes-Jugendjury
DOK Leipzig 2010: Förderpreis der DEFA-Stiftung

Weitere Informationen

Drehbuch:

Maria Speth

Montage:

Maria Speth

Originaltitel:

9 Leben

Originalsprache:

Deutsch

Format:

16:9 HD, S/W

Altersempfehlung:

Ab 14 Jahren

Altersfreigabe:

FSK 12

Sprache:

Deutsch

Untertitel:

Englisch