Mira Anneli Naß: Zum „forensischen Imaginären“. Visuelle Verifizierungsstrategien zwischen Aktivismus und Verschwörungserzählung

Online-Vortrag live über Zoom, 2021

Nicht verfügbar
Aufzeichnung des Online-Vortrags vom 25.5.2021 // Verfügbar bis 4.7.2021 ZUM VORTRAG: Mira Anneli Naß: ZUM „FORENSISCHEN IMAGINÄREN“. VISUELLE VERIFIZIERUNGSSTRATEGIEN ZWISCHEN AKTIVISMUS UND VERSCHWÖRUNGSERZÄHLUNG Praktiken der Bildforensik haben Konjunktur. Vielfach treten in den letzten Jahren renommierte Journalist*innen und aktivistische Kollektive mithilfe einer Counter-Forensics medienwirksam als politische Korrektive auf: Die New York Times und die Washington Post veröffentlichten nach dem gewaltsamen Tod von George Floyd visual inves1ga1ons, die die Ereignisse rund um die rassistisch motivierte Tat auf Basis von Auswertungen viral gegangenen Videomaterials und Aufnahmen lokaler Überwachungskameras etc. minutiös rekonstruierten – nicht zuletzt, um die Tat als Mord zu identifizieren. Meist geht es bei solchen Bild-Forschungen um das Kalkül, etwas in soziopolitischen Kontexten (de)legitimieren und im juridischen Feld beweisbar machen zu wollen. Mit den ästhetisch aufbereiteten Rechercheergebnissen der Londoner Forschungsgruppe Forensic Architecture hält die Bildforensik zudem Einzug ins Feld der Kunst: Auch sie setzen filmische und fotografische Aufnahmen wie Surveillance Footage oder Bilder aus den Sozialen Medien in architektonische 3D-Modelle und Raum-Simulationen ein, um vermeintlich fragwürdige militärische Einsätze zu rekonstruieren und sich gegen staatliche Informationspolitik zu wenden. Die Verfügbarkeit dieses (digitalen) (Bild)Materials generiert zugleich eine neue Form des Bürger*innenjournalismus, in dem eine wachsende Anzahl an Zivilist*innen mithilfe von Open-Source Material private Nachforschungen zu globalen Ereignissen anstellen. Als „verteilte Zeug[*inn]enschaft“ (Gerling/Holschbach/Löffler 2018) entwickelt sich Bildforensik damit zur kollektiven Suche nach einer vermeintlichen Bildevidenz. Diese „Wilde Forensis“ (Meyer 2020), die bisweilen die Züge eines paranoiden Deutungswahn annimmt, wird aber von der Imagination einer dem Bild zugrundeliegenden Realität dominiert. Das ist insofern problematisch, als dass sie die Existenz eines, echten Bildes‘ suggeriert und zugleich dazu tendiert, jegliche Form der Inszenierung als Lüge und Täuschungsversuch einer meist imaginierten Elite zu interpretieren. Das offenbart die rhetorische Nähe zu Verschwörungserzählungen, denn hier etabliert sich eine ,Wir gegen Die‘-, ,Volk gegen Elite‘- Rhetorik und damit auch ein (neu)rechter Diskurs über ,Wahrheit‘. Mein Beitrag will sich der Analyse verschiedener visueller Verifizierungsmechanismen, also spezifischen Strategien der Blicklenkung und dokumentarischen Modi der Bildforensik widmen – und damit die auffälligen ästhetischen Parallelen zwischen pseudowissenschaftlichen Verschwörungserzählungen, einem neuen Bürger*innenjournalismus sowie aktivistischer und politischer Argumentationsstrategien in den Blick nehmen. Mira Anneli Naß (*1989), M.A., studierte Kunstgeschichte, Literatur- und Theaterwissenschaft in München und Florenz sowie Theorie und Geschichte der Fotografie an der Folkwang UdK. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin arbeitet sie seit 2019 an der Universität Bremen. Ihr Dissertationsprojekt trägt den Arbeitstitel „Vom Sichtbarkeits- zum Sicherheitsdispositiv. Visuelle Strategien der Narration von Überwachung, Macht und Öffentlichkeit“. Forschungsschwerpunkte sind Fotografie, zeitgen. Kunst, Überwachung, kritische Ästhetik und politische Ikonographie. Mira Anneli Naß ist zudem als Kunstkritikerin tätig, sie schreibt regelmäßig für die taz, camera austria u. a. Bildcredits © Katrin Krammer (Fotografin)
53 Min.
HD
FSK 0
Sprache:
Deutsch

Weitere Informationen

Originalsprache:

Deutsch

Format:

16:9 HD, Farbe

Altersfreigabe:

FSK 0

Sprache:

Deutsch