* 1910 Shinagawa, Präfektur Tokio, Japan | † 1998 Tokio, Japan
„Die Menschen sind unfähig, aufrichtig zu sich selbst zu sein. Sie können nicht über sich sprechen, ohne das Bild zu schönen.“ KUROSAWA Akira
Akira Kurosawa wurde am 23. März 1910 als siebtes Kind in Tokio geboren. Sein Vater entstammte einer Samuraifamilie, deren Stammbaum bis ins 11. Jahrhundert zurückführt. Akira Kurosawa beschloss zunächst, nach dem Abschluss der Mittelschule, Maler zu werden, wurde allerdings an der Kunstschule abgelehnt. 1936 landete er als Regieassistent für Kajirô Yamamoto bei einer japanischen Filmproduktionsfirma und drehte 1943 seinen Debütfilm als Regisseur: SUGATA SANSHIIRÔ, einen unterhaltsamen Film über einen Jugendlichen, der Judoexperte werden will. Der erste Film, der ihm weltweite Anerkennung einbrachte, war RASHOMON. Nachdem der Film 1951 auf den Filmfestspielen von Venedig gezeigt und ausgezeichnet wurde und zudem in Hollywood den Oscar für den besten ausländischen Film gewonnen hatte, galt er als Regisseur mit internationalem Status. Der Titel des Films hat einem Erzählprinzip den Namen gegeben: viele Perspektiven und nirgendwo die ganze Wahrheit. Das westliche Publikum zeigte sich von mindestens drei Dingen aufs tiefste beeindruckt: von der Fabel, die deutlich macht, dass jeder, der in ein Geschehen verwickelt ist, es so darstellen wird, dass er dabei gut wegkommt. Zweitens von der unglaublich beweglichen Kamera, die durch Wald und Laub jagt und in die Sonne blinzelt, so dass sich die Abbildung der Realität zu graphischen Gebilden verwandelt. Drittens von einer Spielweise, die einerseits an förmliches Zeremonialwesen grenzt, andererseits an die fast animalische Gebärdensprache verwilderter Menschen: zumal bei Toshiro Mifune, dem kraftvoll sprungkräftigen halbnackten Banditen. RASHOMON ist Kurosawas zwölfter Film als Regisseur. Das außerordentlich positive Echo des Auslands verschaffte ihm auch im Inland Anerkennung. Denn obwohl einige seiner Filme beim Publikum durchaus erfolgreich waren, galt Kurosawa als schwierig und kompromissunwillig, zumal für die Zensurbehörden des kriegführenden Japan. Erst 1952 kam z. B. sein erster Film in einer vollständigen Fassung heraus und ein anderer Film, DIE MÄNNER, DIE DEM TIGER AUF DEN SCHWANZ TRATEN (nach einem Kabuki-Stück), überhaupt zum ersten Mal ins Kino. In den nächsten Jahren folgte EINMAL WIKRLICH LEBEN, das Portrait eines Mannes kurz vor dem Tod, der seinem Leben einen letzten Sinn geben will. EINMAL WIRKLICH LEBEN ist von der westlichen Kritik zu Recht mit großen Filmen verglichen worden, die Bilanz eines Lebens zu ziehen versuchen. 1954 drehte Kurosawa den bis dahin teuersten japanischen Film: DIE SIEBEN SAMURAI. Dieser Samuraifilm gilt wegen seiner Vieldeutigkeit, der entfesselten Kamera und der genialen Verbindung von Dekor, Inszenierung und Inhalt bis heute unter den japanischen Filmkritiker als bedeutenster japanischer Film, gefolgt übrigens von EINMAL WIRKLICH LEBEN. Die Fähigkeit Kurosawas, Totalen in die Tiefe zu staffeln, so dass mehrere Raumpläne zu erkennen sind, vom Vorder- bis zum Hintergrund, übertrifft die Bildgestaltung von Orson Welles' CITIZEN KANE (1941), ebenso seine Fähigkeit, extreme und gegenläufige Bewegungen in der Fläche so zu organisieren, dass gleichsam fein ausbalancierte und zugleich sich ständig verändernde Bildstrukturen entstehen. Der Einfluss der mit Linien und Flächen raffiniert arbeitenden japanischen Holzschnitttechnik seit dem späten 18. Jahrhundert scheint unverkennbar. Beinahe alle Filme Kurosawas, die sich mit aktuellen Themen beschäftigen, haben im Ausland weniger Beachtung und Anerkennung gefunden als seine historischen Stücke. So fand EIN LEBEN IN FURCHT nur ein desinteressiertes Publikum, während die ein Jahr später entstandene Macbeth-Adaption, DAS SCHLOSS IM SPINNWEBWALD wieder ein internationaler Erfolg wurde. Der Wechsel von verfremdenden Elementen und Schockaufnahmen ist auch diesmal durch die Erzählabsicht motiviert. 1957 führte Kurosawa mit der Inszenierung von Maxim Gorkis NACHTASYL die Eingemeindung westlicher Stoffe in die japanische Welt fort um sich in den nächsten Jahren umso mehr dem Samurai-Thema zu widmen. 1961 drehte er JOJIMBO – DER LEIBWÄCHTER, anschließend SANJURO und ROTBART. Doch Ende der sechziger Jahre verlor Kurusawa mehr und mehr die Zustimmung des Publikums. Den Höhepunkt erreichte seine Schaffenskrise 1971, als auch DODESKADEN – MENSCHEN IM ABSEITS, nach mehreren erfolglosen Versuchen, Filme in Japan und Amerika zu produzieren, ein Flop wurde. Der Film war Kurosawas erster Farbfilm, noch dazu von seiner eigenen Firma produziert, die darüber pleite ging. Als der Film trotz Kürzungen von über 100 Minuten vor allem auf missfallen stieß, sah sich Kurosawa am Ende seiner Laufbahn und unternahm einen Selbstmordversuch, der zum Glück scheiterte. Neue Kraft gewann er durch die sowjetische Koproduktion UZALA, DER KIRGISE im Jahr 1974. Doch obwohl der Film mit Preisen überhäuft und auch an den Kinokassen ein Erfolg wurde war es weiterhin schwierig für Kurosawa, Geld für neue Filme aufzutreiben. Erst 1980 gelang es ihm, KAGEMUSHA – DER SCHATTEN DES KRIEGERS zu realisieren, nachdem sich Coppola, Lucas und Spielberg für den Film einsetzen und sich amerikanische Firmen beteiligten. KAGEMUSHA erhielt 1980 die Goldene Palme in Cannes, wurde ein voller Erfolg und der teuerste Film, der bis heute in Japan gedreht wurde. Kurosawa, nunmehr siebzigjährig, gab sich damit nicht zufrieden, er schrieb seine Autobiographie und erwarb das Vertrauen des französischen Produzenten Serge Silberman, so dass er 1984 endlich seine King-Lear-Version als französisch-japanische Koproduktion verwirklichen konnte. RAN ist unzweifelhaft ein gewaltiges Alterswerk. Der Film, der mit Szenen einer Jagd über grünen Hügeln beginnt, findet seinen Abschluss in dem braunen Einerlei einer weithin gestreckten Wüste und im undurchdringlichen Rauch und Feuer der Brände, die die Burgen zerstören. Seit RASHOMON und DIE SIEBEN SAMURAI hat die Natur keine so große Rolle mehr gespielt bei Kurosawa, Natur als spiegelbildliche Szenerie und als Erde, das Allumfassende, das dauerhafter ist als alles, was durch Geschichte aufgebaut und zerstört wird. So spielt auch Sonne über die Ruinen, in denen der Fürst seine Zuflucht gefunden hat. Blumenwiesen umgeben in idyllischer Lieblichkeit die Leichen der Getöteten, die sich mit ihren farbigen Gewändern in den Dekor dieses scheinbar so friedlichen Arrangements einfügen. Kurosawa gab nach der Fertigstellung dieses großen tragischen Films nicht auf. Jahre später erschien sein Episodenfilm TRÄUME (1990), der zum Teil Kindheitserinnerungen aufzugreifen scheint und sowohl dichte und düstere Impressionen als auch heiter entspannte Episoden verbindet. RHAPSODIE IM AUGUST (1991), ein Film, der an den Abwurf der Atombombe über Nagasaki 1945 mahnt, zerfällt in rhetorische und wenige visionäre Sequenzen. Sein letzter Film MADADAYO (1993) erzählt von einem alten Professor, der sich zur Ruhe setzen will, um zu schreiben.
Am 6. September 1998 starb KUROSAWA im Alter von 88 Jahren an einem Schlaganfall in Tokio.
„Die Menschen sind unfähig, aufrichtig zu sich selbst zu sein. Sie können nicht über sich sprechen, ohne das Bild zu schönen.“ KUROSAWA Akira
Akira Kurosawa wurde am 23. März 1910 als siebtes Kind in Tokio geboren. Sein Vater entstammte einer Samuraifamilie, deren Stammbaum bis ins 11. Jahrhundert zurückführt. Akira Kurosawa beschloss zunächst, nach dem Abschluss der Mittelschule, Maler zu werden, wurde allerdings an der Kunstschule abgelehnt. 1936 landete er als Regieassistent für Kajirô Yamamoto bei einer japanischen Filmproduktionsfirma und drehte 1943 seinen Debütfilm als Regisseur: SUGATA SANSHIIRÔ, einen unterhaltsamen Film über einen Jugendlichen, der Judoexperte werden will. Der erste Film, der ihm weltweite Anerkennung einbrachte, war RASHOMON. Nachdem der Film 1951 auf den Filmfestspielen von Venedig gezeigt und ausgezeichnet wurde und zudem in Hollywood den Oscar für den besten ausländischen Film gewonnen hatte, galt er als Regisseur mit internationalem Status. Der Titel des Films hat einem Erzählprinzip den Namen gegeben: viele Perspektiven und nirgendwo die ganze Wahrheit. Das westliche Publikum zeigte sich von mindestens drei Dingen aufs tiefste beeindruckt: von der Fabel, die deutlich macht, dass jeder, der in ein Geschehen verwickelt ist, es so darstellen wird, dass er dabei gut wegkommt. Zweitens von der unglaublich beweglichen Kamera, die durch Wald und Laub jagt und in die Sonne blinzelt, so dass sich die Abbildung der Realität zu graphischen Gebilden verwandelt. Drittens von einer Spielweise, die einerseits an förmliches Zeremonialwesen grenzt, andererseits an die fast animalische Gebärdensprache verwilderter Menschen: zumal bei Toshiro Mifune, dem kraftvoll sprungkräftigen halbnackten Banditen. RASHOMON ist Kurosawas zwölfter Film als Regisseur. Das außerordentlich positive Echo des Auslands verschaffte ihm auch im Inland Anerkennung. Denn obwohl einige seiner Filme beim Publikum durchaus erfolgreich waren, galt Kurosawa als schwierig und kompromissunwillig, zumal für die Zensurbehörden des kriegführenden Japan. Erst 1952 kam z. B. sein erster Film in einer vollständigen Fassung heraus und ein anderer Film, DIE MÄNNER, DIE DEM TIGER AUF DEN SCHWANZ TRATEN (nach einem Kabuki-Stück), überhaupt zum ersten Mal ins Kino. In den nächsten Jahren folgte EINMAL WIKRLICH LEBEN, das Portrait eines Mannes kurz vor dem Tod, der seinem Leben einen letzten Sinn geben will. EINMAL WIRKLICH LEBEN ist von der westlichen Kritik zu Recht mit großen Filmen verglichen worden, die Bilanz eines Lebens zu ziehen versuchen. 1954 drehte Kurosawa den bis dahin teuersten japanischen Film: DIE SIEBEN SAMURAI. Dieser Samuraifilm gilt wegen seiner Vieldeutigkeit, der entfesselten Kamera und der genialen Verbindung von Dekor, Inszenierung und Inhalt bis heute unter den japanischen Filmkritiker als bedeutenster japanischer Film, gefolgt übrigens von EINMAL WIRKLICH LEBEN. Die Fähigkeit Kurosawas, Totalen in die Tiefe zu staffeln, so dass mehrere Raumpläne zu erkennen sind, vom Vorder- bis zum Hintergrund, übertrifft die Bildgestaltung von Orson Welles' CITIZEN KANE (1941), ebenso seine Fähigkeit, extreme und gegenläufige Bewegungen in der Fläche so zu organisieren, dass gleichsam fein ausbalancierte und zugleich sich ständig verändernde Bildstrukturen entstehen. Der Einfluss der mit Linien und Flächen raffiniert arbeitenden japanischen Holzschnitttechnik seit dem späten 18. Jahrhundert scheint unverkennbar. Beinahe alle Filme Kurosawas, die sich mit aktuellen Themen beschäftigen, haben im Ausland weniger Beachtung und Anerkennung gefunden als seine historischen Stücke. So fand EIN LEBEN IN FURCHT nur ein desinteressiertes Publikum, während die ein Jahr später entstandene Macbeth-Adaption, DAS SCHLOSS IM SPINNWEBWALD wieder ein internationaler Erfolg wurde. Der Wechsel von verfremdenden Elementen und Schockaufnahmen ist auch diesmal durch die Erzählabsicht motiviert. 1957 führte Kurosawa mit der Inszenierung von Maxim Gorkis NACHTASYL die Eingemeindung westlicher Stoffe in die japanische Welt fort um sich in den nächsten Jahren umso mehr dem Samurai-Thema zu widmen. 1961 drehte er JOJIMBO – DER LEIBWÄCHTER, anschließend SANJURO und ROTBART. Doch Ende der sechziger Jahre verlor Kurusawa mehr und mehr die Zustimmung des Publikums. Den Höhepunkt erreichte seine Schaffenskrise 1971, als auch DODESKADEN – MENSCHEN IM ABSEITS, nach mehreren erfolglosen Versuchen, Filme in Japan und Amerika zu produzieren, ein Flop wurde. Der Film war Kurosawas erster Farbfilm, noch dazu von seiner eigenen Firma produziert, die darüber pleite ging. Als der Film trotz Kürzungen von über 100 Minuten vor allem auf missfallen stieß, sah sich Kurosawa am Ende seiner Laufbahn und unternahm einen Selbstmordversuch, der zum Glück scheiterte. Neue Kraft gewann er durch die sowjetische Koproduktion UZALA, DER KIRGISE im Jahr 1974. Doch obwohl der Film mit Preisen überhäuft und auch an den Kinokassen ein Erfolg wurde war es weiterhin schwierig für Kurosawa, Geld für neue Filme aufzutreiben. Erst 1980 gelang es ihm, KAGEMUSHA – DER SCHATTEN DES KRIEGERS zu realisieren, nachdem sich Coppola, Lucas und Spielberg für den Film einsetzen und sich amerikanische Firmen beteiligten. KAGEMUSHA erhielt 1980 die Goldene Palme in Cannes, wurde ein voller Erfolg und der teuerste Film, der bis heute in Japan gedreht wurde. Kurosawa, nunmehr siebzigjährig, gab sich damit nicht zufrieden, er schrieb seine Autobiographie und erwarb das Vertrauen des französischen Produzenten Serge Silberman, so dass er 1984 endlich seine King-Lear-Version als französisch-japanische Koproduktion verwirklichen konnte. RAN ist unzweifelhaft ein gewaltiges Alterswerk. Der Film, der mit Szenen einer Jagd über grünen Hügeln beginnt, findet seinen Abschluss in dem braunen Einerlei einer weithin gestreckten Wüste und im undurchdringlichen Rauch und Feuer der Brände, die die Burgen zerstören. Seit RASHOMON und DIE SIEBEN SAMURAI hat die Natur keine so große Rolle mehr gespielt bei Kurosawa, Natur als spiegelbildliche Szenerie und als Erde, das Allumfassende, das dauerhafter ist als alles, was durch Geschichte aufgebaut und zerstört wird. So spielt auch Sonne über die Ruinen, in denen der Fürst seine Zuflucht gefunden hat. Blumenwiesen umgeben in idyllischer Lieblichkeit die Leichen der Getöteten, die sich mit ihren farbigen Gewändern in den Dekor dieses scheinbar so friedlichen Arrangements einfügen. Kurosawa gab nach der Fertigstellung dieses großen tragischen Films nicht auf. Jahre später erschien sein Episodenfilm TRÄUME (1990), der zum Teil Kindheitserinnerungen aufzugreifen scheint und sowohl dichte und düstere Impressionen als auch heiter entspannte Episoden verbindet. RHAPSODIE IM AUGUST (1991), ein Film, der an den Abwurf der Atombombe über Nagasaki 1945 mahnt, zerfällt in rhetorische und wenige visionäre Sequenzen. Sein letzter Film MADADAYO (1993) erzählt von einem alten Professor, der sich zur Ruhe setzen will, um zu schreiben.
Am 6. September 1998 starb KUROSAWA im Alter von 88 Jahren an einem Schlaganfall in Tokio.
„Die Menschen sind unfähig, aufrichtig zu sich selbst zu sein. Sie können nicht über sich sprechen, ohne das Bild zu schönen.“ KUROSAWA Akira
Akira Kurosawa wurde am 23. März 1910 als siebtes Kind in Tokio geboren. Sein Vater entstammte einer Samuraifamilie, deren Stammbaum bis ins 11. Jahrhundert zurückführt. Akira Kurosawa beschloss zunächst, nach dem Abschluss der Mittelschule, Maler zu werden, wurde allerdings an der Kunstschule abgelehnt. 1936 landete er als Regieassistent für Kajirô Yamamoto bei einer japanischen Filmproduktionsfirma und drehte 1943 seinen Debütfilm als Regisseur: SUGATA SANSHIIRÔ, einen unterhaltsamen Film über einen Jugendlichen, der Judoexperte werden will. Der erste Film, der ihm weltweite Anerkennung einbrachte, war RASHOMON. Nachdem der Film 1951 auf den Filmfestspielen von Venedig gezeigt und ausgezeichnet wurde und zudem in Hollywood den Oscar für den besten ausländischen Film gewonnen hatte, galt er als Regisseur mit internationalem Status. Der Titel des Films hat einem Erzählprinzip den Namen gegeben: viele Perspektiven und nirgendwo die ganze Wahrheit. Das westliche Publikum zeigte sich von mindestens drei Dingen aufs tiefste beeindruckt: von der Fabel, die deutlich macht, dass jeder, der in ein Geschehen verwickelt ist, es so darstellen wird, dass er dabei gut wegkommt. Zweitens von der unglaublich beweglichen Kamera, die durch Wald und Laub jagt und in die Sonne blinzelt, so dass sich die Abbildung der Realität zu graphischen Gebilden verwandelt. Drittens von einer Spielweise, die einerseits an förmliches Zeremonialwesen grenzt, andererseits an die fast animalische Gebärdensprache verwilderter Menschen: zumal bei Toshiro Mifune, dem kraftvoll sprungkräftigen halbnackten Banditen. RASHOMON ist Kurosawas zwölfter Film als Regisseur. Das außerordentlich positive Echo des Auslands verschaffte ihm auch im Inland Anerkennung. Denn obwohl einige seiner Filme beim Publikum durchaus erfolgreich waren, galt Kurosawa als schwierig und kompromissunwillig, zumal für die Zensurbehörden des kriegführenden Japan. Erst 1952 kam z. B. sein erster Film in einer vollständigen Fassung heraus und ein anderer Film, DIE MÄNNER, DIE DEM TIGER AUF DEN SCHWANZ TRATEN (nach einem Kabuki-Stück), überhaupt zum ersten Mal ins Kino. In den nächsten Jahren folgte EINMAL WIKRLICH LEBEN, das Portrait eines Mannes kurz vor dem Tod, der seinem Leben einen letzten Sinn geben will. EINMAL WIRKLICH LEBEN ist von der westlichen Kritik zu Recht mit großen Filmen verglichen worden, die Bilanz eines Lebens zu ziehen versuchen. 1954 drehte Kurosawa den bis dahin teuersten japanischen Film: DIE SIEBEN SAMURAI. Dieser Samuraifilm gilt wegen seiner Vieldeutigkeit, der entfesselten Kamera und der genialen Verbindung von Dekor, Inszenierung und Inhalt bis heute unter den japanischen Filmkritiker als bedeutenster japanischer Film, gefolgt übrigens von EINMAL WIRKLICH LEBEN. Die Fähigkeit Kurosawas, Totalen in die Tiefe zu staffeln, so dass mehrere Raumpläne zu erkennen sind, vom Vorder- bis zum Hintergrund, übertrifft die Bildgestaltung von Orson Welles' CITIZEN KANE (1941), ebenso seine Fähigkeit, extreme und gegenläufige Bewegungen in der Fläche so zu organisieren, dass gleichsam fein ausbalancierte und zugleich sich ständig verändernde Bildstrukturen entstehen. Der Einfluss der mit Linien und Flächen raffiniert arbeitenden japanischen Holzschnitttechnik seit dem späten 18. Jahrhundert scheint unverkennbar. Beinahe alle Filme Kurosawas, die sich mit aktuellen Themen beschäftigen, haben im Ausland weniger Beachtung und Anerkennung gefunden als seine historischen Stücke. So fand EIN LEBEN IN FURCHT nur ein desinteressiertes Publikum, während die ein Jahr später entstandene Macbeth-Adaption, DAS SCHLOSS IM SPINNWEBWALD wieder ein internationaler Erfolg wurde. Der Wechsel von verfremdenden Elementen und Schockaufnahmen ist auch diesmal durch die Erzählabsicht motiviert. 1957 führte Kurosawa mit der Inszenierung von Maxim Gorkis NACHTASYL die Eingemeindung westlicher Stoffe in die japanische Welt fort um sich in den nächsten Jahren umso mehr dem Samurai-Thema zu widmen. 1961 drehte er JOJIMBO – DER LEIBWÄCHTER, anschließend SANJURO und ROTBART. Doch Ende der sechziger Jahre verlor Kurusawa mehr und mehr die Zustimmung des Publikums. Den Höhepunkt erreichte seine Schaffenskrise 1971, als auch DODESKADEN – MENSCHEN IM ABSEITS, nach mehreren erfolglosen Versuchen, Filme in Japan und Amerika zu produzieren, ein Flop wurde. Der Film war Kurosawas erster Farbfilm, noch dazu von seiner eigenen Firma produziert, die darüber pleite ging. Als der Film trotz Kürzungen von über 100 Minuten vor allem auf missfallen stieß, sah sich Kurosawa am Ende seiner Laufbahn und unternahm einen Selbstmordversuch, der zum Glück scheiterte. Neue Kraft gewann er durch die sowjetische Koproduktion UZALA, DER KIRGISE im Jahr 1974. Doch obwohl der Film mit Preisen überhäuft und auch an den Kinokassen ein Erfolg wurde war es weiterhin schwierig für Kurosawa, Geld für neue Filme aufzutreiben. Erst 1980 gelang es ihm, KAGEMUSHA – DER SCHATTEN DES KRIEGERS zu realisieren, nachdem sich Coppola, Lucas und Spielberg für den Film einsetzen und sich amerikanische Firmen beteiligten. KAGEMUSHA erhielt 1980 die Goldene Palme in Cannes, wurde ein voller Erfolg und der teuerste Film, der bis heute in Japan gedreht wurde. Kurosawa, nunmehr siebzigjährig, gab sich damit nicht zufrieden, er schrieb seine Autobiographie und erwarb das Vertrauen des französischen Produzenten Serge Silberman, so dass er 1984 endlich seine King-Lear-Version als französisch-japanische Koproduktion verwirklichen konnte. RAN ist unzweifelhaft ein gewaltiges Alterswerk. Der Film, der mit Szenen einer Jagd über grünen Hügeln beginnt, findet seinen Abschluss in dem braunen Einerlei einer weithin gestreckten Wüste und im undurchdringlichen Rauch und Feuer der Brände, die die Burgen zerstören. Seit RASHOMON und DIE SIEBEN SAMURAI hat die Natur keine so große Rolle mehr gespielt bei Kurosawa, Natur als spiegelbildliche Szenerie und als Erde, das Allumfassende, das dauerhafter ist als alles, was durch Geschichte aufgebaut und zerstört wird. So spielt auch Sonne über die Ruinen, in denen der Fürst seine Zuflucht gefunden hat. Blumenwiesen umgeben in idyllischer Lieblichkeit die Leichen der Getöteten, die sich mit ihren farbigen Gewändern in den Dekor dieses scheinbar so friedlichen Arrangements einfügen. Kurosawa gab nach der Fertigstellung dieses großen tragischen Films nicht auf. Jahre später erschien sein Episodenfilm TRÄUME (1990), der zum Teil Kindheitserinnerungen aufzugreifen scheint und sowohl dichte und düstere Impressionen als auch heiter entspannte Episoden verbindet. RHAPSODIE IM AUGUST (1991), ein Film, der an den Abwurf der Atombombe über Nagasaki 1945 mahnt, zerfällt in rhetorische und wenige visionäre Sequenzen. Sein letzter Film MADADAYO (1993) erzählt von einem alten Professor, der sich zur Ruhe setzen will, um zu schreiben.
Am 6. September 1998 starb KUROSAWA im Alter von 88 Jahren an einem Schlaganfall in Tokio.
„Die Menschen sind unfähig, aufrichtig zu sich selbst zu sein. Sie können nicht über sich sprechen, ohne das Bild zu schönen.“ KUROSAWA Akira
Akira Kurosawa wurde am 23. März 1910 als siebtes Kind in Tokio geboren. Sein Vater entstammte einer Samuraifamilie, deren Stammbaum bis ins 11. Jahrhundert zurückführt. Akira Kurosawa beschloss zunächst, nach dem Abschluss der Mittelschule, Maler zu werden, wurde allerdings an der Kunstschule abgelehnt. 1936 landete er als Regieassistent für Kajirô Yamamoto bei einer japanischen Filmproduktionsfirma und drehte 1943 seinen Debütfilm als Regisseur: SUGATA SANSHIIRÔ, einen unterhaltsamen Film über einen Jugendlichen, der Judoexperte werden will. Der erste Film, der ihm weltweite Anerkennung einbrachte, war RASHOMON. Nachdem der Film 1951 auf den Filmfestspielen von Venedig gezeigt und ausgezeichnet wurde und zudem in Hollywood den Oscar für den besten ausländischen Film gewonnen hatte, galt er als Regisseur mit internationalem Status. Der Titel des Films hat einem Erzählprinzip den Namen gegeben: viele Perspektiven und nirgendwo die ganze Wahrheit. Das westliche Publikum zeigte sich von mindestens drei Dingen aufs tiefste beeindruckt: von der Fabel, die deutlich macht, dass jeder, der in ein Geschehen verwickelt ist, es so darstellen wird, dass er dabei gut wegkommt. Zweitens von der unglaublich beweglichen Kamera, die durch Wald und Laub jagt und in die Sonne blinzelt, so dass sich die Abbildung der Realität zu graphischen Gebilden verwandelt. Drittens von einer Spielweise, die einerseits an förmliches Zeremonialwesen grenzt, andererseits an die fast animalische Gebärdensprache verwilderter Menschen: zumal bei Toshiro Mifune, dem kraftvoll sprungkräftigen halbnackten Banditen. RASHOMON ist Kurosawas zwölfter Film als Regisseur. Das außerordentlich positive Echo des Auslands verschaffte ihm auch im Inland Anerkennung. Denn obwohl einige seiner Filme beim Publikum durchaus erfolgreich waren, galt Kurosawa als schwierig und kompromissunwillig, zumal für die Zensurbehörden des kriegführenden Japan. Erst 1952 kam z. B. sein erster Film in einer vollständigen Fassung heraus und ein anderer Film, DIE MÄNNER, DIE DEM TIGER AUF DEN SCHWANZ TRATEN (nach einem Kabuki-Stück), überhaupt zum ersten Mal ins Kino. In den nächsten Jahren folgte EINMAL WIKRLICH LEBEN, das Portrait eines Mannes kurz vor dem Tod, der seinem Leben einen letzten Sinn geben will. EINMAL WIRKLICH LEBEN ist von der westlichen Kritik zu Recht mit großen Filmen verglichen worden, die Bilanz eines Lebens zu ziehen versuchen. 1954 drehte Kurosawa den bis dahin teuersten japanischen Film: DIE SIEBEN SAMURAI. Dieser Samuraifilm gilt wegen seiner Vieldeutigkeit, der entfesselten Kamera und der genialen Verbindung von Dekor, Inszenierung und Inhalt bis heute unter den japanischen Filmkritiker als bedeutenster japanischer Film, gefolgt übrigens von EINMAL WIRKLICH LEBEN. Die Fähigkeit Kurosawas, Totalen in die Tiefe zu staffeln, so dass mehrere Raumpläne zu erkennen sind, vom Vorder- bis zum Hintergrund, übertrifft die Bildgestaltung von Orson Welles' CITIZEN KANE (1941), ebenso seine Fähigkeit, extreme und gegenläufige Bewegungen in der Fläche so zu organisieren, dass gleichsam fein ausbalancierte und zugleich sich ständig verändernde Bildstrukturen entstehen. Der Einfluss der mit Linien und Flächen raffiniert arbeitenden japanischen Holzschnitttechnik seit dem späten 18. Jahrhundert scheint unverkennbar. Beinahe alle Filme Kurosawas, die sich mit aktuellen Themen beschäftigen, haben im Ausland weniger Beachtung und Anerkennung gefunden als seine historischen Stücke. So fand EIN LEBEN IN FURCHT nur ein desinteressiertes Publikum, während die ein Jahr später entstandene Macbeth-Adaption, DAS SCHLOSS IM SPINNWEBWALD wieder ein internationaler Erfolg wurde. Der Wechsel von verfremdenden Elementen und Schockaufnahmen ist auch diesmal durch die Erzählabsicht motiviert. 1957 führte Kurosawa mit der Inszenierung von Maxim Gorkis NACHTASYL die Eingemeindung westlicher Stoffe in die japanische Welt fort um sich in den nächsten Jahren umso mehr dem Samurai-Thema zu widmen. 1961 drehte er JOJIMBO – DER LEIBWÄCHTER, anschließend SANJURO und ROTBART. Doch Ende der sechziger Jahre verlor Kurusawa mehr und mehr die Zustimmung des Publikums. Den Höhepunkt erreichte seine Schaffenskrise 1971, als auch DODESKADEN – MENSCHEN IM ABSEITS, nach mehreren erfolglosen Versuchen, Filme in Japan und Amerika zu produzieren, ein Flop wurde. Der Film war Kurosawas erster Farbfilm, noch dazu von seiner eigenen Firma produziert, die darüber pleite ging. Als der Film trotz Kürzungen von über 100 Minuten vor allem auf missfallen stieß, sah sich Kurosawa am Ende seiner Laufbahn und unternahm einen Selbstmordversuch, der zum Glück scheiterte. Neue Kraft gewann er durch die sowjetische Koproduktion UZALA, DER KIRGISE im Jahr 1974. Doch obwohl der Film mit Preisen überhäuft und auch an den Kinokassen ein Erfolg wurde war es weiterhin schwierig für Kurosawa, Geld für neue Filme aufzutreiben. Erst 1980 gelang es ihm, KAGEMUSHA – DER SCHATTEN DES KRIEGERS zu realisieren, nachdem sich Coppola, Lucas und Spielberg für den Film einsetzen und sich amerikanische Firmen beteiligten. KAGEMUSHA erhielt 1980 die Goldene Palme in Cannes, wurde ein voller Erfolg und der teuerste Film, der bis heute in Japan gedreht wurde. Kurosawa, nunmehr siebzigjährig, gab sich damit nicht zufrieden, er schrieb seine Autobiographie und erwarb das Vertrauen des französischen Produzenten Serge Silberman, so dass er 1984 endlich seine King-Lear-Version als französisch-japanische Koproduktion verwirklichen konnte. RAN ist unzweifelhaft ein gewaltiges Alterswerk. Der Film, der mit Szenen einer Jagd über grünen Hügeln beginnt, findet seinen Abschluss in dem braunen Einerlei einer weithin gestreckten Wüste und im undurchdringlichen Rauch und Feuer der Brände, die die Burgen zerstören. Seit RASHOMON und DIE SIEBEN SAMURAI hat die Natur keine so große Rolle mehr gespielt bei Kurosawa, Natur als spiegelbildliche Szenerie und als Erde, das Allumfassende, das dauerhafter ist als alles, was durch Geschichte aufgebaut und zerstört wird. So spielt auch Sonne über die Ruinen, in denen der Fürst seine Zuflucht gefunden hat. Blumenwiesen umgeben in idyllischer Lieblichkeit die Leichen der Getöteten, die sich mit ihren farbigen Gewändern in den Dekor dieses scheinbar so friedlichen Arrangements einfügen. Kurosawa gab nach der Fertigstellung dieses großen tragischen Films nicht auf. Jahre später erschien sein Episodenfilm TRÄUME (1990), der zum Teil Kindheitserinnerungen aufzugreifen scheint und sowohl dichte und düstere Impressionen als auch heiter entspannte Episoden verbindet. RHAPSODIE IM AUGUST (1991), ein Film, der an den Abwurf der Atombombe über Nagasaki 1945 mahnt, zerfällt in rhetorische und wenige visionäre Sequenzen. Sein letzter Film MADADAYO (1993) erzählt von einem alten Professor, der sich zur Ruhe setzen will, um zu schreiben.
Am 6. September 1998 starb KUROSAWA im Alter von 88 Jahren an einem Schlaganfall in Tokio.