Liebe nach Fahrplan

Tragikomödie, Tschechien 1966

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Technischer Hinweis: Bei diesem Video werden die deutschen Untertitel nicht automatisch angezeigt. Bitte wählen Sie diese nach Start des Films unten rechts unter den Einstellungen im Zahnrad-Symbol aus! ZUM FILM: Die mit dem Oscar ausgezeichnete Komödie erzählt zärtlich und schräg von einem Bahnlehrling, der seine Jungfräulichkeit verlieren will und gegen Ende des Zweiten Weltkriegs in den tschechoslowakischen Widerstand gegen die deutschen Besatzer gerät. Jiří Menzels Film gilt als ein Meisterwerk menschlicher Beobachtung und einer der Höhepunkte der tschechoslowakischen Neuen Welle der 1960er Jahre. Jiří Menzels subversives Erstlingswerk fasziniert – auch heute noch – durch seinen „pointilistischen Realismus“ (Ulrich Gregor), seine einzigartige Mischung aus Poesie und Skurrilität, Komik und Tragik, durch seine Lust am Fabulieren und lyrische Schönheit. Es ist einer dieser Filme, dessen erzählerischer Reichtum fortwährend neue Details gewahr werden lässt und jedes weitere Betrachten zu einem neuen Erlebnis macht. Bereits vor dem Filmvorspann ist ein kurioser Prolog aus dem Mund des jugendlichen Protagonisten Miloš Hrma zu vernehmen, der – noch in Unterhosen – in eine Bahnuniform gekleidet wird, die sich wie eine Krönung ausnimmt: bildreich-schrullige Geschichten rund um seine „berühmte“ Familie und Ahnen, die neben dem Mikrokosmos der Biographien stets auf ein größeres Ganzes und die tschechoslowakische Geschichte abheben. Da gibt es beispielsweise den Großvater, der Hypnotiseur war und sich angenehm durchs Leben schlug. Im März 1939 stellte er sich jedoch als Einziger der Wehrmacht bei ihrer Überschreitung der tschechoslowakischen Grenze in den Weg. Indem er seine Arme vorstreckte und den Deutschen ein eindringliches „kehrt um!“ einflößte, brachte er tatsächlich eine ganze Armee zum Stillstand. Als dann doch ein Panzer anfuhr, Großvater standhaft, aber nicht mehr lange am Leben blieb, war der Weg für die deutschen Truppen frei. Diese und alle anderen Fabeln, die einen Film für sich ausmachen könnten, stimmen ein auf Miloš Hrmas Geschichte, die er selbst darlegt. Sein Nachname bedeutet „Venushügel“, fügt er noch an und dass man sich deshalb schon oft über ihn lustig gemacht habe. Und so nimmt die Erzählung ihren Lauf, in einer winzigen Bahnstation irgendwo in der deutsch besetzten Tschechoslowakei während des Zweiten Weltkriegs: Zusammen mit dem Stationsvorsteher und dem Fahrdienstleiter Hubička, der nur Frauen im Sinn hat, versieht Miloš seinen zunächst recht gemächlichen Dienst. Der junge Anwärter ist unbeholfen und schüchtern, vor allem Frauen bringen ihn in Verlegenheit. Mit der Schaffnerin Máša, die ihm zugetan ist, kann er eine Nacht verbringen, ist der für ihn gewaltigen Herausforderung aber nicht gewachsen. Er unternimmt einen Selbstmordversuch und erfährt später von dem Psychiater (den Jiří Menzel spielt), dass er an Ejaculatio praecox leide, die aber überwunden werden könne, beispielsweise durch das Denken an etwas ganz anderes oder eine reife Frau. Fahrdienstleiter Hubička verhilft Miloš zu einem Schäferstündchen im Séparée des Vorstehers, dessen Sofa bereits Spuren von vormaliger Leidenschaft aufweist. Hubička kollaboriert mit der Widerstandskämpferin Victoria Freie; eine Sprengstoffladung soll einen deutschen Munitionszug in die Luft jagen. Die reifere Victoria macht Miloš indessen zum Mann mit neuem Selbstbewusstsein, während sich Hubička vor einem Untersuchungskomitee dem Vorwurf der Zweckentfremdung von amtlichen Stempeln und Siegeln ausgesetzt sieht ... LIEBE NACH FAHRPLAN entstand nach der Erzählung „Reise nach Sondervorschrift, Zuglauf überwacht“ (1965) von Bohumil Hrabal, dessen Werke Jiří Menzel mehrmals adaptierte. Beide Künstler sind Seelenverwandte und Streiter um Humanität und individuelle Freiheit. Menzel hat einen kongenialen filmischen Ausdruck für Hrabals Universum gefunden, das eine hypnotische Vorstellungskraft mit einer ungeschminkten Realität verbindet und in dem sich Slapstickmotive, anekdotischer Reichtum, anarchischer Humor und die Absurdität des Surrealismus finden. So ist der Film reich an Charakteren und grotesk-komischen Begebenheiten, die sich in Anbetracht des bescheidenen Zugverkehrsaufkommens entwickeln. Die provinzielle Idylle ist rundherum subversiv. Die Bahnhofsbelegschaft hat viel Zeit, ihren Interessen nachzugehen. Die liebenswerten, aber tölpelhaft und ziemlich selbstverliebt erscheinenden Provinzler haben vermeintlich ein privates Arrangement getroffen, um den Krieg auf angenehme Distanz zu halten. Der Bahnhofsvorsteher und seine Frau widmen den größten Teil ihrer Energie der Aufzucht von Tauben, Gänsen und Kaninchen. Der Fahrdienstleiter hat eine unbedarfte Ausstrahlung, die seinen Erfolg als Frauenheld Lügen straft. Von Zeit zu Zeit kommen die herrische Gräfin des Ortes, die empörte Mutter der Telefonistin und einige Wehrmachtssoldaten vorbei, die eine Schar von Krankenschwestern erobern wollen, deren Zug in der Nähe des Bahnhofs aufgehalten wurde. Doch all das erweist sich als trügerisch, und das Ende überrascht mit einem unerwartet heldenhaften Akt. In LIEBE NACH FAHRPLAN findet dabei eine Gleichsetzung von sexueller und politischer Befreiung statt. Die tschechische Sinnlichkeit, die schließlich triumphiert, wird der nationalsozialistischen Unterdrückung gegenübergestellt. Miloš' sexueller Durchbruch vollzieht sich parallel zu seiner politischen Reife und spiegelt die seiner Nation wider. Retrospektiv betrachtet fällt es schwer, den Subtext des Films nicht zu lesen als (prophetischen) Bezug auf die sowjetische Besatzung der Tschechoslowakei in der „Gegenwart“ des Filmemachers, sondern nur auf die der Nationalsozialisten in der tatsächlichen Szenerie gegen Ende des Zweiten Weltkriegs. Nach Miloš' Selbstmordversuch fängt die Kamera ein Plakat ein, das von den örtlichen Kollaborateuren angebracht wurde und trotzig verkündet, dass Prag niemals in die Klauen der Sowjets fallen werde. Die tschechoslowakische Neue Welle, eine wichtige Erneuerungsbewegung des Kinos in den 1960er Jahren konnte im gesellschaftlichen Umfeld des Prager Reformkommunismus entstehen und war mehrere Jahre lang eine der lebendigsten und richtungsweisenden filmischen Bewegungen. Mit dem Einmarsch der Truppen des Warschauer Pakts im Augst 1968 wurde sowohl der Versuch, einen „Sozialismus mit menschlichem Antlitz“ zu schaffen, als auch die Blütezeit der tschechoslowakischen Kinematografie beendet. Jiří Menzel erhielt wie viele seiner Kolleginnen und Kollegen jahrelang keine Filmaufträge mehr. Text: Matthias Fetzer Weitere Artikel: In memoriam Jiří Menzel - In Prag ist der Komödienmeister gestorben: https://trigon-film.org/de/articles/In_memoriam_Ji%C5%99%C3%AD_Menzel Goldene Kamera an Jiří Menzel: https://trigon-film.org/de/articles/Goldene_Kamera_an_Ji%C5%99%C3%AD_Menzel
Sprache:
Tschechisch
Untertitel:
DeutschEnglisch

Auszeichnungen

Academy Award, Oscar, Bester fremdsprachiger Film 1967
Grosser Preis am Internationalen Filmfestival Mannheim
British Film prize for best film & best music 1969

Weitere Informationen

Komposition:

Jiří Šust

Besetzung:

Václav Neckář (Trainee Milos Hrma)

Josef Somr (Train dispatcher Hubicka)

Alois Vachek (Novak)

Jitka Scoffin (Conducteress Masa)

Jitka Zelenohorská (Zdenka)

Libuše Havelková (Max's wife)

Originaltitel:

Ostře sledované vlaky

Originalsprache:

Tschechisch

Weitere Titel:

Scharf beobachtete Züge

Format:

1:1,33 HD, S/W

Altersempfehlung:

Ab 16 Jahren

Altersfreigabe:

FSK 16

Sprache:

Tschechisch

Untertitel:

DeutschEnglisch

Weiterführende Links:

IMDb

The Movie Database