Ich, Daniel Blake

Tragikomödie, Vereinigtes Königreich/Frankreich 2016

Nicht verfügbar
VERFÜGBAR BIS 2.6. Der 59-jährige Daniel Blake hat sein Leben lang als Schreiner in Newcastle gearbeitet. Nach einem Herzinfarkt ist er zum ersten Mal auf staatliche Hilfe angewiesen. Während er sich bemüht, die Formalitäten für die Unterstützungs-Beiträge zu bewältigen, trifft er Katie und ihre beiden Kinder. Um nicht in einer Obdachlosen-Unterkunft zu landen, bleibt der alleinerziehenden Mutter nichts anderes übrig, als in eine Wohnung weit weg von ihrer Heimat zu ziehen. Gemeinsam kämpfen Daniel und Katie nun gegen die Fallstricke der Bürokratie ... Für seinen berührenden Film wurde Ken Loach bereits zum zweiten Mal mit der Goldenen Palme von Cannes ausgezeichnet. Darüber hinaus hat er in Locarno die Herzen der Zuschauer erobert und den Publikumspreis gewonnen. Der britische Regisseur fokussiert auf ein Thema, das nicht nur in seiner Heimat aktuell ist: Die schnörkellos erzählte Geschichte nach dem Drehbuch von Loachs langjährigem Autor Paul Laverty gewährt einen Einblick in den alltäglichen Kampf von Menschen, die schuldlos durch die Maschen des Sozialsystems fallen. ICH, DANIEL BLAKE ist ein brillant besetzter Film – ehrlich und zutiefst bewegend. REGISSEUR KEN LOACH IM INTERVIEW ÜBER SEINEN FILM Wie kamen Sie auf den Stoff von ICH, DANIEL BLAKE? Paul Laverty, mein Autor seit vielen Jahren, und ich befinden uns in einem ständigen Dialog und tauschen Ideen aus. Über das, was in unserem Land vorgeht und was mit den Menschen passiert. In diesem Fall schauten uns in verschiedenen Städten um, im Mittleren Westen, in den Midlands, im Norden, natürlich auch in London. Wir sprachen mit Menschen, die in Jobcentern gearbeitet hatten, ebenso wie mit solchen, die in Essensausgabestellen tätig waren. Viele wussten davon, viele wollten gerne darüber reden – und doch ist es nicht Teil der öffentlichen Diskussion. Man liest vielleicht einmal etwas in der Zeitung über Essensausgabestellen, aber das macht keine Schlagzeilen und wird schnell vergessen. Paul arbeitete zunächst die beiden Hauptfiguren aus und schrieb dann das Drehbuch. Es ist ein kämpferischer, anklagender Film geworden über das britische Sozialsystem. War Wut auch eine Motivation? Man kann sich die Situation nicht anschauen, ohne wütend zu werden, ohne sich darüber aufzuregen, wie mit Menschen umgegangen wird. Als wir anfingen, uns gegenseitig Zeitungsartikel und Nachrichten zu schicken, wurde schnell klar, dass es hier ein Problem gibt. Wir begannen, in Städte und kleinere Ortschaften zu fahren und überall bot sich uns ein ähnliches Bild. Wir trafen Menschen in ärmsten Verhältnissen, die für ihr Essen bei karitativen Tafeln anstehen. Und gleichzeitig wurden in den letzten Jahren zwei bis drei Millionen Sozialhilfeempfänger in Großbritannien dafür bestraft, dass sie irgendwelche absurden Auflagen nicht erfüllt haben. Die Zahl müssen Sie sich mal vorstellen! Ihnen wurde die Unterstützung entzogen, die sie für Nahrung, Unterkunft und Heizung brauchen. Und niemand redet darüber, es wird unter den Teppich gekehrt. ICH, DANIEL BLAKE wirf einen sehr authentischen Blick auf soziale Ungerechtigkeit, zugleich gibt es immer wieder Szenen, die zu Tränen rühren. Wie schaffen Sie die Balance zwischen Aufklärung und Emotionalität? Paul und ich haben zusammen recherchiert, aber die Charaktere und die Handlung hat er geschrieben, auch wenn ich immer wieder Anmerkungen gemacht habe. Wenn man sich die absurde Situation bewusst macht, hat es erst einmal etwas Komisches. Die Fragen, die gestellt werden, die ganze Bürokratie ist eigentlich lächerlich. Aber natürlich ist es, wenn man es am eigenen Leib erlebt, wahnsinnig frustrierend. Und dieser Frust wird zu Verzweiflung und daraus wird Zerstörung. Wir folgten also nur dem Lauf der Dinge. Und als wir uns die Charaktere überlegten, waren wir uns auch absolut im Klaren darüber, dass wir keine offensichtlichen Opfer zeigen wollten. Wir wollten zwei Hauptfiguren, die positiv sind, die etwas leisten und beitragen wollen. Daniel hat Talent, er ist unter seinen Arbeitskollegen geschätzt und beliebt, er ist intelligent und steht mit beiden Beinen im Leben. Aber selbst er gerät unter die Räder. Und Katie ist voller Energie, sie zieht allein zwei Kinder groß und absolviert ein Fernstudium an der Open University. Sie ist ein heller Kopf, warum sollte sie in dieser Situation sein? Aber eins führt zum andern und am Ende wird ihr Körper zur Ware. Es ist die einzige Chance, die ihr bleibt. Und das ist weder von uns erfunden noch ein Einzelfall. Im Guardian konnte man erst kürzlich wieder von einem ganz ähnlichen Schicksal lesen. Es gibt Hunderte solcher Geschichten. Und viele sind so unglaublich, dass wir sie nicht verwendet haben, weil es uns niemand abgenommen hätte. Man kann wirklich nur den Kopf schütteln, wenn es nicht so traurig wäre. Das Komische ist auch im Film enthalten, im Drehbuch, aber auch in der Besetzung Daniel Blakes mit Dave Johns, einem britischen Comedian. Hatten Sie ihn von Anfang an im Hinterkopf? Nein, gar nicht. Wir haben uns alle möglichen Darsteller angeschaut. Aber ich mag Komödianten, weil sie, zumindest in Großbritannien, oft stark in der Arbeiterklasse verwurzelt sind. Der beste Humor entsteht bei uns durch Widerstand, Armut und sich durchschlagen müssen. Dave ist nicht nur sehr witzig, sondern kommt auch genau aus der Stadt, in der unser Film spielt. Er ist im passenden Alter und sein Vater war Handwerker, wie die Figur, die er jetzt spielt. Er ist in einer Sozialwohnung aufgewachsen, er kennt also den Kontext sehr genau. Es war einfach eine glückliche Fügung. Die Sozialsysteme sind gerade europaweit auf dem Prüfstand, auch in reichen Ländern wie Deutschland oder der Schweiz. Für rechte Parteien scheint es ein gefundenes Fressen, diese Bürokratie als wertlos und überflüssig abschaffen zu wollen. Ich halte das sogar für gewollt. Die Bürokratie ist nicht effizient, nicht weil man es nicht besser kann, sondern um Menschen zu erniedrigen und ihnen zu zeigen, dass sie an ihrer Armut selbst schuld sind. Wenn sie keine Arbeit haben, liegt es an ihnen, nicht am System. Die Medien tragen zu diesem Bild bei. Schauen Sie sich all die Fernsehshows an, in denen sich über Menschen lustig gemacht wird, weil sie angeblich zu fett sind, zu viele Drogen nehmen oder zu viele Kinder haben. Aus Armut wird Comedy. Es gibt sogar einen Begriff dafür: Poverty Porn. Es ist ein ganzes Fernsehgenre, das nur dafür da ist, Leute zu demütigen. Und wenn alle glauben, dass die Unterschicht selbst schuld ist, werden diejenigen, die es wirklich zu verantworten haben, nicht mehr zur Rechenschaft gezogen: die globalen Konzerne, die billige Arbeitskräfte und niedrige Steuern brauchen. Und darauf fußt der Neoliberalismus: Dass die Leute sich nicht mehr aufraffen, ihre Rechte einzufordern. Welche Wirkung erhoffen Sie sich von Ihrem Film? Ach, am Ende ist es nur das: ein Film. Es ist keine politische Bewegung. Ich hoffe natürlich, dass er Leute zum Nachdenken bringt. Vielleicht macht er ein paar Menschen wütend, hoffentlich reden sie über das, was gerade passiert. Und vielleicht motiviert es ein paar zu kämpfen. Aber man muss vorsichtig sein. Sie haben gerade ein Problem in Deutschland mit Wutbürgern. Aber ihre Wut richtet sich an die Falschen. So kam Hitler damals auch an die Macht. Aber es sind nicht die Armen, die Flüchtlinge, bestimmte Ethnien oder Religionen, die schuld sind. Damals waren es die Juden, heute sind es die Muslime. Trump ist ein klassisches Beispiel dafür. Mit Ihren Filmen kämpfen Sie seit Jahrzehnten gegen soziale Ungerechtigkeiten. Fühlen Sie sich angesichts der Entwicklungen bisweilen wie Don Quixote in seinem aussichtslosen Kampf gegen die Windmühlen? Wir machen doch nur Filme. Aber die Situation überrascht mich natürlich nicht, das ist die Natur des Kapitalismus. Es ist die logische Konsequenz dessen, was Thatcher in den Achtzigern angestoßen hat. Seit Ihrem Antritt 1979 herrscht Massenarbeitslosigkeit in Großbritannien, das wurde auch bei Blair nicht anders. Das Problem war und bleibt, dass die Linke so fragmentiert und zerstritten ist. Jeder kämpft in einer kleinen Nische, für Obdachlose, Behinderte, Kinderarmut, was auch immer. Aber niemand organisiert sich im größeren Stil. Alle bleiben unter sich und damit schwach. Stecken Sie Hoffnungen in die Jugend? Oh, die junge Generation ist großartig! Von Occupy bis UK Uncut. Sie haben einen frischen, unschuldigeren Blick. Die Älteren haben sich mit den Umständen arrangiert, sie nehmen es hin. Aber die Jungen wollen so nicht leben und begehren dagegen auf. Und sie schaffen es, zu mobilisieren. Das macht mir Hoffnung. So viele sind frustriert und apathisch, machen nichts und wählen dann Rechtspopulisten. Quellen: https://www.epd-film.de/meldungen/2016/interview-mit-ken-loach-ueber-seinen-film-ich-daniel-blake https://www.indiekino.de/news/de/man_kann_sich_die_situation_nicht_anschauen_ohne_wuetend_zu_werden
Sprache:
DeutschEnglisch
Untertitel:
Deutsch

Weitere Informationen

Komposition:

George Fenton

Regie:

Ken Loach

Kamera:

Robbie Ryan

Drehbuch:

Paul Laverty

Besetzung:

Dave Johns (Daniel)

Hayley Squires (Katie)

Dylan McKiernan (Dylan)

Briana Shann (Daisy)

Kate Rutter (Ann)

Sharon Percy (Sheila)

Kema Sikazwe (China)

Originaltitel:

I, Daniel Blake

Originalsprache:

Englisch

Format:

16:9 HD, Farbe

Altersempfehlung:

Ab 14 Jahren

Altersfreigabe:

FSK 6

Sprache:

DeutschEnglisch

Untertitel:

Deutsch

Weiterführende Links:

IMDb

The Movie Database