May Ayim (1960-1996) war eine afrodeutsche Lyrikerin und eine der Vorreiterinnen der Neuen Schwarzen Bewegung, die als erste Wissenschaftlerin die Geschichte und Lebenssituation Schwarzer Frauen in Deutschland untersuchte. Ihre Diplomarbeit zu diesem Thema erschien 1986 in dem Buch „Farbe bekennen“. Mit ihrer politischen Lyrik wurde sie im In- und Ausland bekannt. Allen voran mit Gedichten und Lyrik wie „Grenzenlos und unverschämt“ oder „Afro-deutsch“.
May Ayim schrieb sich ein in die Tradition des Sprechgesangs und fühlte sich mit anderen afrodeutschen Dichter*innen der Diaspora stark verbunden. Dichtung war für sie eine Möglichkeit der weißen deutschen Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Der Dokumentarfilm MAY AYIM: HOFFNUNG IM HERZ zeigt sie bei Performances in Südafrika und Deutschland u. a. mit ihren bekanntesten Gedichten „Blues in Schwarz Weiß” und „Grenzenlos und unverschämt“, die den Rassismus der deutschen Nachwendegesellschaft reflektieren. Interviews und Gedichte thematisieren die Suche nach Identität und wie und warum der Begriff afrodeutsch entstanden ist.
May Ayim ist die wohl prominenteste Vertreterin der Schwarzen Community in Deutschland. Mit der Auslobung des May Ayim Awards, des ersten Schwarzen Deutschen Literaturpreises, wurde in Kooperation mit der deutschen Sektion der UNESCO im Jahr 2004 im Gedenken an May Ayim die Traditionslinie für das literarische Schaffen Schwarzer Menschen in Deutschland gelegt. 2010 wurde zudem das Groebenufer in Berlin-Kreuzberg nach ihr in May-Ayim-Ufer umbenannt. Der Kolonist Otto Friedrich von der Groeben errichtete Ende des 17. Jahrhunderts die Festung „Großfriedrichsburg“ im heutigen Ghana, von der aus über 30.000 Afrikaner*innen zur Sklavenarbeit verschifft wurden
AUSZUG AUS EINEM ARTIKEL IM MISSY MAGAZINE VON CHRIS KÖVER
https://missy-magazine.de/blog/2014/05/02/unverschamt-schwarz/
„Rassismus in Deutschland? Gibt es doch gar nicht.“ Diesen Satz bekam May Ayim von einem Professor zu hören als sie ankündigte, ihr Pädagogikdiplom über die Geschichte von Schwarzen Deutschen zu schreiben.
Dass der Professor keine Ahnung hatte, wovon er sprach, wusste May Ayim zufällig recht genau. Sie war als Tochter einer weißen deutschen Mutter und eines ghanaischen Schwarzen Vaters in Deutschland geboren, getauft auf den Namen Sylvia Brigitte Gertrud. Aufgewachsen ist sie bei Pflegeeltern in Münster. Sylvia Brigitte Gertrud Opitz war also in Deutschland geboren, hatte einen deutschen Pass, sprach fließend deutsch. Wenn sie auf die Straße ging, merkte sie trotzdem schnell, dass sie nicht in dieses Land gehörte. „Guck mal Mama, ein N*“, sagten andere Kinder. „Sei froh, dass du nicht im Busch geblieben bist“, sagten Erwachsene.
„Ich bin mit dem Gefühl aufgewachsen, dass ich zwar hier lebe, aber eines Tages hier weggehen muss,“ sagt sie später in einem Interview mit der Filmemacherin Maria Binder. „Denn die erste Frage ist immer: woher kommen sie, und die zweite: wann gehen sie zurück.“ Dass sie mit einer schwarzen Haut keine Deutsche sein konnte, war klar. Zumindest den Weißen. Und ihr bald auch.
Die einzigen Schwarzen Menschen, die May Ayim als Kind kennt, sind ihr Vater – der alle paar Jahre zu Besuch kommt, um sie über den Kopf zu streicheln –, und die „zehn kleinen N****“ aus dem Kinderlied. Im erzkatholischen Münster ist sie etwa so unauffällig wie ein Mensch im Würstchen-Kostüm bei der Sonntagsmesse.
Dass es in der deutschen Geschichte auch andere Schwarze Protagonist*nnen gab als die aus ihrem Kinderlied, erfährt sie erst viel später – nachdem sie eine Ausbildung zur Krankenschwesterhelferin gemacht und in Regensburg angefangen hatte, Pädagogik zu studieren. Während der Recherchen für besagte Diplomarbeit, die ihr der kluge Professor ausreden wollte, beginnt sie zu verstehen. 1984 zieht sie nach Berlin und lernt dort die afroamerikanische Schriftstellerin und feministische Aktivistin Audre Lorde kennen.
May Ayim (1960-1996) war eine afrodeutsche Lyrikerin und eine der Vorreiterinnen der Neuen Schwarzen Bewegung, die als erste Wissenschaftlerin die Geschichte und Lebenssituation Schwarzer Frauen in Deutschland untersuchte. Ihre Diplomarbeit zu diesem Thema erschien 1986 in dem Buch „Farbe bekennen“. Mit ihrer politischen Lyrik wurde sie im In- und Ausland bekannt. Allen voran mit Gedichten und Lyrik wie „Grenzenlos und unverschämt“ oder „Afro-deutsch“.
May Ayim schrieb sich ein in die Tradition des Sprechgesangs und fühlte sich mit anderen afrodeutschen Dichter*innen der Diaspora stark verbunden. Dichtung war für sie eine Möglichkeit der weißen deutschen Gesellschaft den Spiegel vorzuhalten. Der Dokumentarfilm MAY AYIM: HOFFNUNG IM HERZ zeigt sie bei Performances in Südafrika und Deutschland u. a. mit ihren bekanntesten Gedichten „Blues in Schwarz Weiß” und „Grenzenlos und unverschämt“, die den Rassismus der deutschen Nachwendegesellschaft reflektieren. Interviews und Gedichte thematisieren die Suche nach Identität und wie und warum der Begriff afrodeutsch entstanden ist.
May Ayim ist die wohl prominenteste Vertreterin der Schwarzen Community in Deutschland. Mit der Auslobung des May Ayim Awards, des ersten Schwarzen Deutschen Literaturpreises, wurde in Kooperation mit der deutschen Sektion der UNESCO im Jahr 2004 im Gedenken an May Ayim die Traditionslinie für das literarische Schaffen Schwarzer Menschen in Deutschland gelegt. 2010 wurde zudem das Groebenufer in Berlin-Kreuzberg nach ihr in May-Ayim-Ufer umbenannt. Der Kolonist Otto Friedrich von der Groeben errichtete Ende des 17. Jahrhunderts die Festung „Großfriedrichsburg“ im heutigen Ghana, von der aus über 30.000 Afrikaner*innen zur Sklavenarbeit verschifft wurden
AUSZUG AUS EINEM ARTIKEL IM MISSY MAGAZINE VON CHRIS KÖVER
https://missy-magazine.de/blog/2014/05/02/unverschamt-schwarz/
„Rassismus in Deutschland? Gibt es doch gar nicht.“ Diesen Satz bekam May Ayim von einem Professor zu hören als sie ankündigte, ihr Pädagogikdiplom über die Geschichte von Schwarzen Deutschen zu schreiben.
Dass der Professor keine Ahnung hatte, wovon er sprach, wusste May Ayim zufällig recht genau. Sie war als Tochter einer weißen deutschen Mutter und eines ghanaischen Schwarzen Vaters in Deutschland geboren, getauft auf den Namen Sylvia Brigitte Gertrud. Aufgewachsen ist sie bei Pflegeeltern in Münster. Sylvia Brigitte Gertrud Opitz war also in Deutschland geboren, hatte einen deutschen Pass, sprach fließend deutsch. Wenn sie auf die Straße ging, merkte sie trotzdem schnell, dass sie nicht in dieses Land gehörte. „Guck mal Mama, ein N*“, sagten andere Kinder. „Sei froh, dass du nicht im Busch geblieben bist“, sagten Erwachsene.
„Ich bin mit dem Gefühl aufgewachsen, dass ich zwar hier lebe, aber eines Tages hier weggehen muss,“ sagt sie später in einem Interview mit der Filmemacherin Maria Binder. „Denn die erste Frage ist immer: woher kommen sie, und die zweite: wann gehen sie zurück.“ Dass sie mit einer schwarzen Haut keine Deutsche sein konnte, war klar. Zumindest den Weißen. Und ihr bald auch.
Die einzigen Schwarzen Menschen, die May Ayim als Kind kennt, sind ihr Vater – der alle paar Jahre zu Besuch kommt, um sie über den Kopf zu streicheln –, und die „zehn kleinen N****“ aus dem Kinderlied. Im erzkatholischen Münster ist sie etwa so unauffällig wie ein Mensch im Würstchen-Kostüm bei der Sonntagsmesse.
Dass es in der deutschen Geschichte auch andere Schwarze Protagonist*nnen gab als die aus ihrem Kinderlied, erfährt sie erst viel später – nachdem sie eine Ausbildung zur Krankenschwesterhelferin gemacht und in Regensburg angefangen hatte, Pädagogik zu studieren. Während der Recherchen für besagte Diplomarbeit, die ihr der kluge Professor ausreden wollte, beginnt sie zu verstehen. 1984 zieht sie nach Berlin und lernt dort die afroamerikanische Schriftstellerin und feministische Aktivistin Audre Lorde kennen.